Melba Suite

Der Herzog betritt den hinteren Salon und giesst sich einen schwarzen Kaffee ein.


"Premierminister haben die unangenehme Eigenschaft, andauernd zu spät zu kommen" denkt er.

Guten Tag, Felix. Wie ich sehe, hast du die Kaffeekanne bereits gefunden.Die ganze Geheimnistuerei erfordert es leider, auf Personal zu verzichten. Wo ist das heisse Wasser?

Ich möchte dich nicht lange aufhalten, August. Du musst heute Abend ja noch im Fernsehen auftreten. Diese Televisionsapparate haben die Welt vollständig umgekrempelt. Früher gab es vier Tageszeitungen mit drei Ausgaben täglich. Heute gibt es noch zwei Blätter, die den Ehrentitel einer Zeitung verdienen und stattdessen sehen wir jeden Abend in unserem eigenen Haus farbige Bilder in Echtzeit, wie die Eingebohrenen in den Kolonien um ihre Bäume tanzen.

Tu mir den gefallen und sprich nicht von den Medien. Ich hasse sie. Ohne die Medien und Paparazzi wäre das Regieren ein Kindergeburtstag. Nächste Woche ist hier im Hotel unser Wohlfahrtsball, sehen wir uns?

Ich kann ja schlecht fehlen, August. Es würde mich allerdings wundern, wenn du kämst. Sogar der König wird kurz kommen. Wie geht es dem alten Pirschjäger eigentlich?

Entweder ist es die Gicht oder eine Altersdepression, aber der Alte Herr wird zusehends mürrischer. Ich trage meine Geschäfte lieber zehn Parlamenten vor, als dem alten Philipp. Es ist eine Plage, Felix. Ich kann keinen Praktikanten einstellen, ohne mir seine Ausführungen dazu anhören zu müssen. Nicht daß er etwas zu sagen hätte, aber schliesslich kann ich seine impertinente Fragerei ja nicht ignorieren, er ist doch der Souverän.

Fast habe ich Mitleid mit dir, armer August. Diesen Konfekt musst du einmal probieren, egal was deine Frau zu deiner Figur sagt. Das Hotel bezieht ihn direkt von Carmasole - dabei müssen die Dinger am selben Tag gegessen werden, an dem sie das Licht der Welt erblickt haben. Verrückt. Weisst du was ich gestern gesehen habe? Spargel aus Aurora, aus dem Gewächshaus. Was für eine Welt! Premierminister ist kein Ferienhaus, mein Lieber. Als ich zwölf war, wollte ich unbedingt Premier werden. Unterdessen habe ich es mir anders überlegt. Mir ist es egal, wer unter mir Regierungschef ist. Kaffee? Ach nein, du bist ja ein Teetrinker. Wie geht es denn unserem Kronprinzen? Macht er sich gut?

Der Respekt, den du meinem Amt entgegenbringst, ist rührend. Der Kronprinz ist ja längst kein kleiner Prinz mehr. Er ist ein reifer, kluger Mann geworden. Er muss noch das eine oder andere lernen, aber er entwickelt sich zufriedenstellend. Du siehst ihn am Ball. Das lässt er sich nicht entgehen.

Wir haben uns Gedanken über die Zukunft des Herrscherhauses gemacht. Der Kronprinz ist nun reif, weitere Verantwortung zu übernehmen. Er sollte einen bedeutenden Auftritt in der Öffentlichkeit an seines Vaters statt absolvieren - bestimmt wird er sich gut schlagen. Er könnte beispielsweise die Eröffnungsrede am Matrosenwohlfahrtsball halten. Was meinst du?

Beitrag von August Stuck Heute um 3:54 pm
Ich sage dir nur zwei Worte, Felix: Vergiss es! Solange Moumont Zeremonienmeister ist, wird eher ein abstinenter Schuhputzer Mundschenk des Königs, als daß der Prinz apparente rege in seine Funktion eintritt. Sieh dir diese hässlichen lila Kissen an. Haben die keine geschmackvollere Suite in diesem Kasten? Ich habe noch nie verstanden, weshalb auf jedem Sofa Kissen herumliegen müssen. Die fangen nur Staub auf.

Immer diese sinnlosen verfassungsrechtlichen Grundsatzbedenken! Dann sag doch dem Hohen Herrn, er solle zu Hause bleiben, damit ihn sein Sohn vertreten kann und die Rede halten wird. Wahrscheinlich wird mir Phil sogar dafür noch dankbar sein, wie ich ihn kenne wäre er ohnehin lieber bei der Herbstjagd in Melba.

Ja, sicher hat er keine Lust. Ich könnte ihm die Förderung seines Primus als Vorwand für seine Abwesenheit verkaufen. Allerdings mache ich mir Sorgen, wegen der Jagd. Er wird wohl nicht mit dem Schiff nach Melba fahren und hinterher kommen wieder die Medien und vierteilen uns, weil der König zu viel fliegt. Reich mir mal den Zucker rüber. Du brauchst ihn sowieso nicht.

Verunreinigungen trüben den Kaffee. Schwarz, heiss und rein. Milch und Zucker ist etwas für Teetrinker. Gut, dann sind wir uns einig. Wie geht es deiner Frau?

Danke. Ich habe den Eindruck, mit Philipp verheiratet zu sein. Ich sehe ihn mehr als Isabelle. Nächstes Jahr trete ich zurück. Das ist nichts mehr für mich.

Das hast du dieses Jahr schon zwei mal gesagt. Politik ist eine Droge, August. Wie der Zucker, den du in deinen Tee tust: Ohne ist das Leben zu fad. Aber wenn du nicht mehr willst, bin ich sicher, einen kleinen Skandal anzetteln zu können, der dir einen überraschend schnellen Ruhestand sicherstellt.

Ja, ihr findet in mir stets wieder einen Dummen, der euch den Rücken frei hält. Aber um eine Regierungsumbildung komme ich vor Weihnachten nicht herum. Die Föderalisten sind schlicht nicht koalitionsfähig.

Weisst du, der Sicherheitschef dieses Etablissements hat mir ausdrücklich versichert, die Suite überprüft zu haben, aber ich bin mir sicher, daß jemand mithört. Alle hören mit. Aber ja, eine Regierungsumbildung ist doch eine normale und alltägliche Prozedur. Die Zeitungen haben dann etwas zu schreiben. Britt wäre ein guter Handelsminister, meine ich.

Britt? Fähig ist er zweifellos. Vielleicht schon zu mächtig. Sein Bruder hat doch dieses Gasthaus hier um die Ecke?

In der Tat. Und er hat eine La Forbes geheiratet. Die Britts sind eine interessante Familie. Neureiche Aufsteiger zweifellos, aber fähig und klug. Das weiss ich zu schätzen. Ich möchte dich nicht länger aufhalten, August. Die müssen dich im Studio ja noch schön schminken, das dauert gewiss lang.

Ich liebe dich auch, Felix. Ich wünsch dir was. Im Gegensatz zu dir nehme ich nun den Personalausgang. Bis die Tage!

Wir sehen uns am Donnerstag zur Rede des Kronprinzen. Auf Wiedersehen, Premierminister.