Bureau du premier ministre

Andreas Failler fährt mit dem Taxi direkt vom Flughafen zum Regierungspalais. Er wird in das Bureau des Premiers vorgelassen und stellt seine Aktentasche auf den Tisch.

Premierminister, guten Tag. Wir müssen uns dringend unterhalten. Sie sehen sicher auch, daß Ihr momentaner Rückhalt im Haus bedrohlich klein ist - gelinde gesagt. Wenn wir die vorgesehenen und vereinbarten föderalistischen Punkte im Regierungsprogramm nicht entschieden umsetzen und ihnen verstärkt Beachtung schenken, kann ich meiner Partei die Unterstützung dieser Regierung nicht mehr länger abringen. Die Unbeliebtheit Ihrer Partei und die desolate Zustimmung zur Politik des Innenressorts fällt sonst auf uns als Koalitionspartner zurück. Wir werden entweder die Regierung verlassen, oder unsere Anliegen umsetzen.

Herr von Brak, vielen Dank für Ihre Offenheit. Nehmen Sie doch eine Tasse Tee. Kuchen? Kekse? Lassen Sie mich auch ganz offen sprechen. Die Linie dieser Regierung wurde fair und transparent verhandelt. Jetzt eine Situation der Schwäche auszunutzen, um hinterher die vereinbarten Spielregeln zu verändern ist keine feine Art. Was wir jetzt brauchen ist Zusammenhalt! Wir müssen der Opposition zeigen, daß wir fähig sind, diese Krise zu überstehen. Selbstverständlich werden Ihre dezentralisierenden Reformen zu ihrem Zeitpunkt folgen, wie vereinbart. Ich bin kein Politiker, der sein Wort nicht hält. Aber wir waren uns einig, daß die Reform der Registratur vor der Dezentralisierung umgesetzt wird.

Sie missverstehen mich, Premierminister. Dies war die Situation vor Ihrer desaströsen - und wenn wir beide der Situation ins Auge sehen: Von Ihnen selbst verschuldeten - Reformpolitik. Nun ist eine veränderte Situation eingetreten. Es ist meine Pflicht, zu verhindern, daß die schlechte Presse der Regierung nicht auf meine Partei zurückfällt, das werden Sie verstehen. Deshalb müssen wir teilweise auf geschlossene Kompromisse zurückkommen und ermöglichen, daß ich unserer Wählerschaft zeigen kann, daß wir uns für die Anliegen der Regionen einsetzen. Wenn wir nicht sofort ein Autonomiegesetz einbringen und zwei weitere Ministerien erhalten, können wir nicht in der Koalition verbleiben. Unmöglich.

Von Brak, das ist eine leere Drohung! Wenn Sie in dieser Regierung, von der Sie immer nur profitiert haben, nichts mehr hält, dann bitte! Niemand wird Sie aufhalten. Gehen Sie nur. Es ist allein meine Protektion und meine Kompromissbereitschaft gewesen, die Sie von einer drittklassigen Ortspartei zu einer nationalen Größe in Regierungsverantwortung gemacht hat. Aber genau das ist der Punkt: Es geht nicht um Macht und Pöstchen, auch nicht um Klientelwirtschaft, sondern um Verantwortung, Brak. Verantwortung! Gegenüber dem Wähler, dem Volk und dem König. Verantwortung!

Premierminister, Sie haben in den letzten Wochen und Monaten viel durchgemacht und viel geleistet. Das bewundern wir alle und wir sind Ihnen dafür dankbar. Nun sind Sie müde und erschöpft. Das ist verständlich. Nehmen Sie sich zwei Tage frei, gehen Sie angeln und denken Sie über mein Angebot nach. Wenn Sie mir helfen, unsere Wähler davon zu überzeugen, daß wir in ihrem Sinne handeln, dann biete ich Ihnen an, Sie mit meiner Fraktion weiterhin zu stützen.

Ich habe soeben den Auftrag an die Regierung, ein neues Aussenpolitikgesetz auszuarbeiten in das Unterhaus eingebracht. Bevor das durch ist verändern wir gar nichts. Und dann wenden wir uns mit aller Kraft der Registraturreform zu. Alle, die konstruktiv mitarbeiten wollen sind herzlich willkommen. Es steht Ihnen frei, im Boot zu bleiben. Ich werfe Sie nicht hinaus.

Ich bin mir nicht sicher, ob Sie den Ernst der Lage verstanden haben. Wenn Sie auf mein Angebot nicht eingehen können, müssen wir aus der Regierung aussteigen. Und zwar ohne Verzug. Weil ich Ihnen das ersparen möchte und mir wünsche, daß Ihre politische Karriere noch eine Weile weiter geht, biete ich Ihnen eine grosszügige Lösung an. Geben Sie uns zwei Minister und lassen Sie mich ein Autonomiegesetz einbringen, dann werden unsere Wähler zufrieden sein und wir können im Palais verbleiben.

Das ist doch lächerlich! Selbst wenn ich wollte könnte ich darauf nicht eingehen. Sie können und werden die Regierung nicht unverzüglich verlassen. Daß Sie eines Tages die Koalition verlassen werden, war von Anfang an klar. Aber denken Sie ja nicht, daß ich nicht darauf vorbereitet wäre.

Ich biete Ihnen meine Hand, Premierminister. Das Angebot steht, so lange ich hier sitze und mit Ihnen Tee trinke und Kekse esse. Wenn ich dieses Büro ohne Ihre Einwilligung verlsasse, trete ich vor die Presse und stürze Sie. Das wollen wir beide nicht. Und deshalb werden wir es gemeinsam vermeiden. Ich kann gar nicht anders, es ist meine Pflicht unseren Wählern gegenüber.

Wähler! Machen Sie sich nicht lächerlich! Sie sind ja noch nicht mal Mitglied des Unterhauses! Sie wurden noch nie gewählt und müssen auch nicht befürchten, abgewählt zu werden! Die Wähler können Ihnen doch ganz egal sein! Aber mir sind sie nicht egal, ich werde für das Wohl des livornischen Volkes kämpfen, solange noch ein Tropfen Blut in meinen Adern fliesst! Und ich werde ganz sicher das Wohl des livornischen Volkes nicht Ihrem Machtstreben opfern!

Premierminister, die Völker, die von unserem König regiert werden, vertreten wir. Sie repräsentieren lediglich eine altburger Machtelite. Waren Sie schon einmal auf dem melbischen Land? Wissen Sie, was die Menschen dort bewegt? Oder kennen Sie die Bedürfnisse, die Sorgen und Nöte der Menschen in Ihrem Königreich? Sie sollten öfter einmal verreisen. Wie Moumont, die gerade in Seeland weilt. Dort kann sie sehen, wie es den Menschen wirklich geht. Wie sie leiden unter den tiefen Preisen, den ihre Fische erzielen, unter der Abgabenlast, unter der Realitätsferne der zentralistischen Verwaltung in Altburg. Sie könnten sehen, wie die Straßen aussehen, bemerken, daß der strom öfter ausfällt, als die Kirchturmuhr schlägt und entdecken, in welchem Zustand die Schulen und die Krankenhäuser sind.

Brak. Sie sind ein Aristokrat. Machen Sie sich mit Ihrem Populismus nicht lächerlich. Ohne die Privillegien Ihres Standes wären Sie nicht einmal im Parlament. Oder glauben Sie, die kleinen Leute von Melba hätten Sie gewählt? Wissen Sie, wie es in den Privatwohungen Ihrer Treiber und Ihres Gesindes aussieht? Sie haben doch keine Ahnung. Ich stamme aus einfachen Verhältnissen und kenne die Nöte und Sorgen der Menschen.

Premierminister, ich biete Ihnen meine Unterstützung an, Ihre Regierung zu halten. Wenn Sie nicht mitziehen, ist Ihre Karriere beendet, sobald ich durch diese Tür gehe. Andreas Failler steht auf. Sie müssen sich entscheiden.

Gehen Sie. Reisende soll man nicht aufhalten. Aber glauben Sie ja nicht, daß ich Sie wieder in die Regierung zurückhole. Und vergessen Sie nicht: Wir leben in einem gemeinsamen Königreich. Gehen Sie zurück in die Provinz, nach Melba und in Ihren Teil des KBA und träumen Sie weiter Ihren separatistischen Traum! Aber ich werde nicht gemeinsame Sache machen mit jemandem, der die Einheit des Königreiches gefährden möchte.

Leben Sie wohl, Premierminister. Und nehmen Sie sich meinen Rat zu Herzen: Spannen Sie mal ein paar Tage aus. Sie sehen schrecklich aus.

Failler verlässt das Bureau.

Das werden wir ja sehen, mein Freund. Wer zuletzt lacht, lacht am besten.

Stach ruft den Premierminister an. Stuck, wieso erfahre ich aus den Medien, daß ich entlassen werde? Haben Sie ein Problem mit Brak? Vielleicht sollten Sie mich mal informieren!

Stuck antwortet Stach: Aber ich bitte Sie, das hat sich seit Monaten abgezeichnet. Ausserdem sind Sie wie wir alle immer noch geschäftsführend im Amt, somit bleibt im Grunde alles beim Alten. Ich werde nun ein paar Minister auswechseln und dann können wir wieder weiterregieren. Wenn Sie mich nun entschuldigen möchten, ich habe noch viel zu tun. Bis übermorgen.

Geheimrat Moumont, was kann ich für Sie tun?

Premierminister. Ich rufe Sie an wegen dieser Pressekonferenz. So ungern ich hier den Spielverderber spiele: Es ist meine Pflicht als Zeremonienmeister, zu protestieren, daß die Räumlichkeiten des Oberhauses für ein parlamentarisches Misstrauensvotum missbraucht worden sind. Das Aussprechen der Vertrauens und Misstrauens in die Regierung ist eine eindeutige Angelegenheit des Unterhauses. Das ändert auch die Mitgliedschaft Faillers im Oberhaus nicht. Ich muss Sie bitten, entsprechende Konsequenzen zu ziehen und einzuschreiten.

Ach, Geheimrat. Jetzt übertreiben Sie mal nicht. Ich bin mir sicher, daß das niemanden gestört hat, ja nicht einmal jemand ausser Ihnen bemerkt hat. Im Grunde spielt doch nur eine Rolle, wer für den Zirkus bezahlt, und das ist derselbe Haushalt. Der Haushalt, für den Failler mit dieser Pressekonferenz ab sofort keine Verantwortung mehr übernimmt. Aber ihn kritisieren, weil er den falschen Saal gewählt hat? Ich bitte Sie! Sie sind ein Traditionalist, Moumont!

Tradition ist die Weitergabe der Fackel, nicht die Anbetung der Asche, lieber Premierminister. Unser Land basiert auf Tradition, Großschatzmeister. Es ist völlig undenkbar, daß eine Partei ihre Angelegenheiten, die ganz eindeutig dem Unterhaus zufallen, in den erlauchten Hallen des Oberhauses regelt! Verstehen Sie? Sie müssen einschreiten!

Moumont. Sie sind der fähigste Mann in diesem Königreich. Sie wissen mehr, als die gesamten Professoren der Universität Altburg und der Livornischen Enzyklopädie zusammen. Aber Sie müssen verstehen, daß ich eingebunden bin in ein Netz von Loyalitäten und Abhängigkeiten. Ich kann nicht einfach Failler an den Karren fahren. Oh, glauben Sie mir, ich würde es sehr gerne tun! Lassen Sie es sein, Geheimrat. Ich stimme Ihnen ja zu. Aber es geht nicht. Wenn Sie mich nun entschuldigen möchten...